Kleine Geschichte der Sollingbahn
Bau
Als im Jahr 1873 mit der Vermessung für die Sollingbahn begonnen wurde, war
dies das Ergebnis von Planungen, die bereits im Jahr 1865 begonnen hatten. In
diesem Jahr wird die Sollingbahn in der "Göttingen-Grubenhagenschen
Zeitung" erstmals erwähnt. Sie sollte eine direkte Verbindung zwischen dem
westfälischen Kohlerevier, dem Harz mit seiner Montanindustrie und dem
sächsischen Industriezentrum um Leipzig herstellen. Die Strecke sollte
zunächst von Nörten-Hardenberg über Hardegsen, durch das Schwülmetal nach
Bodenfelde und von dort nach Bad Karlshafen führen, wo Anschluss nach Westfalen
und Hessen bestand.
1867 wird eine neue Trasse diskutiert, die diesmal von Northeim nach Bad
Karlshafen führen sollte. Da die an der Strecke liegenden Orte ein starkes
Interesse an der Sollingbahn besaßen, kam es zur Gründung eines Komitees für
den Bau einer Trasse, die von Northeim durch die Feldmarken von Höckelheim,
Bewartshausen, Schnedinghausen und Thüdinghausen führen sollte, ehe sie vor
Hardegsen am Galgenberg die Nörtener Chaussee kreuzen und von dort nördlich
des Gladeberges verlaufen sollte bis sie in der Hardegsen-Ellieröder Feldmark
die Chaussee erneut überquerte und den Bollert im Einschnitt überwand. Weiter
sollte sie auf einem Damm durch die Feldmark nördlich von Schlarpe, über die
Anhöhe vor Uslar bis Bad Karlshafen führen.
Diese Streckenführung fand aber nicht die Zustimmung der privaten
Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft, die für den Bau zuständig sein
sollte. So übernahm die staatliche Westfälische Eisenbahn für das Deutsche
Reich die Planung, was zur heutigen Trasse von Ottbergen nach Northeim führte.
Die Vorarbeiten für die Sollingbahn begannen 1871. Anfang 1873 bewilligte der
preußische Landtag für den Bau die Summe von 5,8 Millionen Talern und machte
so den Weg frei.
Nach der Vermessung begannen noch 1873 die Bauarbeiten. Am 11. November 1873
erfolgte der erste Spatenstick für den Bolltert-Tunnel zwischen Hardegsen und
Uslar. Zur gleichen Zeit wurde mit dem Bau des zweiten Tunnels zwischen
Bodenfelde und Bad Karlshafen begonnen. Da dieser deutlich kürzer ist, wurde er
rund ein halbes Jahr früher fertig.
Der Standort für den Northeimer Bahnhof wurde erst 1875 festgelegt, als bereits
an der Leinebrücke gebaut wurde.
Die Arbeiten am weiteren Streckenverlauf wurden Teil bereits 1874 aufgenommen.
Der Weg durch das Bergland des südlichen Sollings erwies sich dabei als
technisch schwierig und erforderte viele Einschnitte und Dammaufschüttungen.
Dabei kam es auch zu etlichen Unfällen, darunter zwischen Hardegsen und Uslar
mindestens 5 tödliche. Für den Bau wurden auch ausländische Arbeitskräfte
eingesetzt, hauptsächlich Polen und Italiener.
Trotz aller Schwierigkeiten kam der Bau gut voran: Am 6. September 1876 wurde
der Bollert-Tunnel mit einer Länge von 960 m durchschlagen. Mit 259,9 m über
NN liegt in ihm auch der höchste Punkt der gesamten Bahnstrecke.
Am 28. Und 29. November 1877 fand die polizeiliche Begehung der Bahnstrecke
statt. Die Einweihungsfahrt erfolgte am 17. Dezember 1877 von Ottbergen bis
Moringen. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten wurde an der Weserbrücke bei Wehrden
der letzte Niet eingeschlagen.
Da diese Fahrt nur bis Moringen führte, ist davon auszugehen, dass die übrige
Strecke noch nicht ausgebaut war. Doch bereits am dem 7. Januar 1878 verkehrte
tägliche ein Zug von Northeim nach Ottbergen.
Aber bereits im Februar 1878 musste an der Strecke wieder gebaut werden. Ein
Erdrutsch am Bahndamm zwischen Moringen und Northeim zwang zu Reparaturen. Am 7.
März erfolgte an der gleichen Stelle eine erneuter Erdrutsch, so dass der
Verkehr erst am 10. April wieder aufgenommen werden konnte.
Nachdem die Strecke in den ersten Jahren nur eingleisig war, wurde sie 1886 auf
zweigleisigen Verkehr umgestellt.
Betrieb
Offiziell wurde die Bahnstrecke, deren Hauptbedeutung im Güterverkehr lag am
15. Januar 1878 eröffnet. Auch für die regionale Wirtschaft war die
Sollingbahn ein wichtiger Faktor: Das Kalibergwerk Volpriehausen, die
Zementfabrik Hardegsen, die Bezugs- und Absatzgenossenschaft Hardegsen, die
Kornhäuser in Northeim und Moringen sowie die Ilse-Möbelwerke in Uslar hatten
direkten Bahnanschluss.
Um 1930 fuhren auf der Strecke von Leipzig-Nordhausen-Northeim nach Westfalen
täglich 65 Güterzüge. Diese Zahl erhöhte sich 1939 auf 80 und während der
des 2. Weltkrieges auf über 100 Güterzüge. 1985 verkehrten auf der Strecke
von Northeim nach Ottbergen nur noch 2 bis 4 Güterzüge täglich.
Dagegen sah der erste Fahrplan nur 2 Personenzüge in jede Richtung vor.
Bis 1976 zogen Dampflokomotiven der Serie 44 die Züge. Sie wurden von
Diesellokomotiven der Reihen 211 und 216 abgelöst.
Rückbau
Der Rückbau der Bahnstrecke Hardegsen - Bodenfelde begann ab 1990. Mit dem
durchgehenden D-Zug von Halle nach Köln wurde die letzte durchgehende
Verbindung nach Westfalen gestrichen, der Haltepunkt Ertinghausen geschlossen.
Die Strecke wurde auf eingleisigen Betrieb um gestellt.
Herbert Heere
Stand: 02.09.2001