News vom 01.07.24 bis 31.07.24

1. Konzept 2030 + und 2040 + des Landes Niedersachsen - kaum Fortschritte für den Südwestharz (Stand: 06.07.2024)
Bei der Initiative „Höchste Eisenbahn für den Südharz“ hat man das kürzlich von Minister Lies und der LNVG-Geschäftsführerin Schwabl vorgestellte Konzept „2030 + und 2040 +“ des Landes Niedersachsen inzwischen gründlich analysiert. Das Fazit von Michael Reinboth lautet kurz und bündig: „Für den Südwestharz ist das eine große Enttäuschung. Bisherige direkte Verbindungen werden vollständig aufgegeben, das Motto für uns lautet künftig: Noch mehr Umsteigen. Das Nord-Süd-Gefälle in der Förderung des Schienenverkehrs wird immer auffälliger. Wenn da nicht die Braunschweiger wären, sähe es noch düsterer aus.“

2030: Alle direkten Züge aus dem Nord- und Südharz nach Göttingen werden gestrichen
Noch im Deutschland-Takt stehen die – dringend gebotene – Aufstockung der RE-Linie Hannover – Göttingen und die bisherigen Regionalbahnlinien RB80 Nordhausen – Göttingen und RB82 Bad Harzburg – Göttingen einträchtig nebeneinander.
Nicht so beim Land Niedersachsen. Hier werden ab 2030 diese beiden bewährten und stark nachgefragten, weil umsteigefreien, Verbindungen komplett gestrichen. In Kreiensen umsteigen oder in Northeim in den häufiger fahrenden RE2 umsteigen, ist wieder das Motto.
Besonders ärgerlich ist das im Fall von Northeim, denn da muss man, so man nach Frankfurt oder Bayern will, nach 15 Minuten Fahrt im oft verspäteten RE2 schon wieder umsteigen.

Jede Stunde Paderborn – Bad Harzburg anstelle zweistündlich Göttingen
Für die West-Ost-Achse über Kreiensen ist eine Aufstockung des Angebots zwischen Holzminden und Kreiensen vorgesehen. Diese Pläne werden freilich schon seit vielen Jahren gehegt und immer mal wieder über den Haufen geworfen. Die Züge sollen nun jede Stunde bis und ab Bad Harzburg verkehren. Der Preis für diese unzweifelhafte Verbesserung ist allerdings viel zu hoch, da dafür alle direkten Züge nach Göttingen entfallen sollen. Damit geht auch die beliebte Verbindung Göttingen – Halberstadt über Goslar in die Brüche. Für Kreiensen – Goslar bleibt es letztlich, im Gegensatz zu anderen Strecken, beim stündlichen Angebot.

Aufgegeben werden damit übrigens auch die Umsteigeverbindungen Göttingen – Osterode über Seesen und Hannover – Osterode über Seesen, da die Takte nicht mehr zusammenpassen. Bisher gibt es diese Verbindungen alle 2 Stunden.

Südharzstrecke: Östlich von Herzberg wird es duster
Auch auf der „Südharzstrecke“ ist das, was ab 2030 angeboten werden soll, keineswegs überzeugend. Alle direkten RB80 Nordhausen – Göttingen und zurück werden in Northeim gekappt. Für das letzte kleine Stück bis zum ICE-Halt muss man dort treppauf, treppab und, so die Fahrzeiten des RE2 denen aus dem Deutschlandtakt entsprechen, in gestrecktem Galopp umsteigen – für die Tourismusorte Bad Lauterberg, Bad Sachsa und Walkenried sowie für alle Reisenden zwischen Ellrich und Nordhausen eine kaum hinzunehmende Verschlechterung des Angebots.

„Es passiert exakt das Gegenteil dessen, was die Tourismusregion Südwestharz braucht. Wir, und nicht nur wir, fordern seit Jahren mehr direkte und durchgehende Verbindungen. Und was passiert? Zusätzliche Umstiege werden vorgesehen. Das ist für uns unbegreiflich.“

Anders als im Nordharz sieht das Konzept auch keinerlei Verbesserungen für den Verkehr mit Westfalen und dem Ruhrgebiet vor. Hier bleibt es beim zweistündlichen Verkehr bis und ab Bodenfelde, wo weiterhin umgestiegen werden muss. Im Text gibt es vage Andeutungen, dass man sich auch für den Südharz um direkte Züge bemühen wolle. „Beruhigungspillen für Politiker“ nennt Michael Reinboth das, denn im Konzept ist das durch nichts hinterlegt. Zusätzliche Züge Herzberg – Nordhausen müssen von Thüringen mitfinanziert werden – also werden sie nie kommen

Das Konzept sieht eine marginale Aufstockung des Angebots zwischen Herzberg und Nordhausen in Tagesrandlagen und am Wochenende vor. „Das ist eine weitere Luftnummer. Wir wissen alle, dass die LNVG sich standhaft weigert, zusätzliche Züge bis und ab Walkenried zu bezahlen, weil Thüringen die Mitfinanzierung auf seinem Teilstück verweigert.
Regelmäßig hören wir dann: Bad Sachsa und Walkenried, das lohnt sich nicht. An dieser Grundeinstellung der LNVG hat sich ja nichts geändert. Also können wir diese Züge vergessen.“

Im Berufsverkehr mehr Züge Göttingen - Herzberg
Das Angebot zwischen Göttingen und Herzberg soll allerdings aufgestockt werden. Zusätzlich zu den RB80 und RB81 sollen einige Zugpaare im Berufsverkehr (also nur Montag bis Freitag) Göttingen und Herzberg direkt verbinden (zwei hiervon gibt es schon heute). „Das ist natürlich zu begrüßen und bedeutet auch eine Verbesserung für Katlenburg, Wulften und Hattorf. Der Rest des Altkreises, insbesondere alle Orte östlich von Herzberg, hat davon allerdings nichts. Das West-Ost-Gefälle im Angebot wird also noch vergrößert“ meint Reinboth, der ganz und gar nicht damit einverstanden ist, wie der Ostteil abserviert werden soll. Westlich von Herzberg eine Aufstockung und auch weiterhin direkte Züge nach und von Göttingen, östlich von Herzberg nur Verschlechterungen – das geht nicht.“

Die Taube auf dem Dach: 2040 plus soll in Herzberg eine Kurve gebaut werden
Der Grund für die Kappung der durchgehenden RB80 – vornehm umschrieben übrigens mit dem Satz „zwischen Göttingen und Northeim werden die Aufgaben der RB80 vom RE2 übernommen“, um den Satz „ihr müsst halt mehrfach umsteigen“ zu vermeiden – ist vollkommen unklar. Fehlende Kapazität kann es nicht sein, denn es gibt ja im Berufsverkehr weiterhin direkte Züge, und wie durch ein Wunder taucht 2040 oder später eine vollkommen neue Linie aus der Versenkung auf, die stündlich Göttingen mit Osterode verbinden soll – direkt und umsteigefrei!

„Wir bezeichnen das mal als Taube auf dem Dach, denn das ist weder finanziell auch nur ansatzweise unterlegt noch bis zu Ende gedacht. Für diese Linie soll in Herzberg eine nagelneue Verbindungskurve gebaut werden, damit man den Herzberger Hauptbahnhof elegant umfahren kann, und es muss in Osterode ein neues Wendegleis mit Weichen angelegt werden, was in Osterode Mitte nicht geht. Vielleicht geht es auf dem Gelände des alten Bahnhofs Osterode. Aber wie auch immer, Kurve und Gleis kosten sehr viel Geld, es wird, da Neubau, massiv Lärmschutz mitgebaut werden müssen, und Herzberg Schloß als künftig einzige Herzberger Station auf dieser Linie ist in keiner Weise aufnahmefähig.“ Außerdem, so der Sprecher der Initiative, nützt diese neue Linie niemandem, der östlich von Herzberg beheimatet ist, und hängt zusätzlich auch noch den P&R-Knoten Herzberg Hauptbahnhof ab.

Um dieser Taube auf dem Dach willen – Reinboth bezweifelt, ob so etwas jemals gebaut werden wird – opfert man bewährte Linien und Verbindungen für, wohlwollend gedacht, mindestens 10 Jahre. Gestrichen ist schnell, neu gebaut hingegen nicht. „Das wirkt wie eine Beruhigungspille für Politiker aus Südniedersachsen, die man allerdings nie verabreichen können wird – DB InfraGO jedenfalls wird weder Kurve noch Gleise und Weichen zusätzlich bezahlen.“

Von wegen Angebotserweiterung – hierzulande passiert fast nichts
Halbstundentakt, Viertelstundentakt – es wimmelte bei der Vorstellung nur so von Superlativen, allerdings, und wer Ohren hatte, zu hören, begriff das schnell – keineswegs zugunsten des flachen Landes. Förderung der Ballungsräume lautet das zwar nicht laut ausgesprochene, aber überall erkennbare Motto der beiden Konzepte. Und so fallen sie dann für unsere Gegend auch aus. Wir nehmen mal 2030 plus, weil 2040 plus einfach zu sehr Wolkenkuckucksheim ist.

Wie sieht es da konkret aus?

Die marginalen Fortschritte stehen zudem unter dem Vorbehalt, dass der Bund bezahlt. Und sie sollen auch noch „priorisiert“ werden. Beim Stellenwert des Landessüdens ist leicht vorstellbar, wo das Geld dann hinwandert. Das Land verwendet derweil Regionalisierungsmittel des Bundes munter weiter für Aufgaben, die es, wie den Schulverkehr, eigentlich selbst bezahlen müsste. Der Bund hat seine Mittel für den Schienennahverkehr aber gerade gekürzt…

Wozu, könnte man sich fragen, also die ganze Aufregung? Ist doch eh kein Geld da! Aber man muss sich aufregen, weil einmal mehr munter über die Köpfe Südniedersachsens hinweg etwas zusammengeplant wird, was den tatsächlichen Bedarfen in keiner Weise entspricht. Während andernorts in Niedersachsen natürlich über mehr durchgehende Linien nachgesonnen wird, ist das im Mezzogiorno unseres Bundeslandes eben nicht der Fall. Übrigens soll die erweitere Linie RE2, natürlich, nördlich von Hannover nicht mehr fahren, man muss also nach Celle oder Uelzen dann auch immer umsteigen.

„Wir fordern unsere Landtagsabgeordneten dringend auf, auf Nachbesserungen des Konzepts 2030 + für unseren Landstrich zu bestehen. Die RB82 und die RB80 müssen weiterhin je alle 2 Stunden nach Göttingen und zurück fahren, zusätzlich zum aufgestockten RE2, denn der Bedarf ist erkennbar ja vorhanden“ sagt Reinboth. Denn schon heute müssen in Göttingen mitunter Fahrgäste zurückbleiben, weil die Züge zu voll sind, weil dieselbe LNVG, die im Konzept vollmundig von mehr Angebot spricht, sich weiterhin standhaft weigert, den Fuhrpark im „Harz-Weser-Netz“ aufzustocken. Mehr Leute sollen Bahn fahren – die Frage ist nur, wie sie das tun sollen, wenn selbst kleinste Fortschritte nicht ermöglicht werden. Noch weitere 5 plus x Jahre stehen oder nicht mitkommen – das ist weiß Gott keine Perspektive.

„Die Kunden zwischen Bad Gandersheim und Bad Harzburg einerseits und die zwischen Herzberg und Nordhausen andererseits sind keine Kunden zweiter Klasse, die man auf prekären Umsteigebahnhöfen treppauf, treppab hetzen kann. Wir leben im Harz in einer Tourismusregion und wollen, dass uns unsere Gäste so bequem wie möglich erreichen können. Dazu bedarf es nicht mehr, sondern weniger Umstiege. 2030 + und 2040 + postulieren aber exakt das Gegenteil – noch mehr Umsteigen. Wer so etwas plant, hat leider keine Ahnung von der alltäglichen Bahnwirklichkeit, in der jeder vermiedene Umstieg ein Gewinn ist.“

Die Küste soll mehr durchgehende Linien erhalten – der Harz nicht

Leer – Rheine – Osnabrück – Hannover durchgehend?
Aber klar doch! An der Strecke liegt ja auch Papenburg, wo das Land, anders als hierzulande, Industriebetriebe nun auch noch direkt unterstützen will. Unsere Gießereien am Harzrand gehen derweil mangels Stromtrassen den Bach herunter.

Der Harz bekommt nichts ab. Gar nichts. Der RE10 Hannover – Goslar soll halbstündlich fahren, aber irgendwohin verlängert wird er nicht, obschon die Strecke Hildesheim – Bad Harzburg sogar unter Fahrdraht kommen soll.
Die RB46 Braunschweig – Herzberg endet genau dort, wo sie immer endet, obwohl gerade wegen der wegfallenden Durchbindung des RE2 (nur noch bis und ab Hannover) der Weg über Braunschweig – Uelzen an Attraktivität gewinnen würde.
Die RB77 wird in Elze gekappt, was potenzielle Anschlüsse aus Ostwestfalen in den Nordharz, die wegen des erweiterten RE10 ja möglich wären, umgehend verhindert. Paderborn – Nordhausen: Fehlanzeige. Was bleibt, ist Paderborn – Bad Harzburg, aber dafür werden Nord- und Südharz gnadenlos vom ICE-Bahnhof Göttingen abgekoppelt.

Man muss sich schon fragen, wieso sich, unter anderem, „Ein Harz“ die Finger wundgeschrieben hat, um endlich eine bessere Anbindung des Harzes zu erreichen. 2030 und 2040 plus bewirken exakt das Gegenteil.

Der Lichtblick: Im Regionalverband Braunschweig wird der Harz bedacht
Anders als die LNVG legt man beim Regionalverband Braunschweig ganz offensichtlich Wert auf eine bessere Anbindung unseres Mittelgebirges, jedenfalls soweit der eigene kleine Bereich dies gestattet. So soll Braunschweig – Goslar künftig halbstündlich bedient werden. Freilich: Zusammen mit den erweiterten RE10 bedeutet das 4 Züge pro Stunde und Richtung zwischen Ringelheim und Goslar… Da die Flügelung bzw. Kupplung der Züge in Vienenburg aufgegeben wird, fahren zukünftig zwischen Braunschweig und Vienenburg ebenfalls alle 30 Minuten Züge, die dann alternierend nach Goslar und Bad Harzburg weiterrollen oder von dort kommen. Die Regionalverbandsgrenzen haben aber eben auch Nachteile: Ringelheim – Seesen – Herzberg bekommt nichts ab.

Goslar hingegen würde, so denn alle Züge dort hineinpassen, zu einer wahren Drehscheibe werden, weil zu den schon heute gut 100 Abfahrten noch einmal mehr als 30 hinzukämen. Das Fragezeichen ist hier die Kapazität des Bahnhofs selbst, die ja jüngst erst reduziert worden ist. Und da müssen auch noch Güterzüge durch.

Die Elektrifizierung Hildesheim – Bad Harzburg schafft hier natürlich noch andere Möglichkeiten. In Tagesrandlagen müssen Fernzüge aus Amsterdam oder Bremen ja nicht zwingend in Hannover enden. Sie könnten auch, wie früher, bis Bad Harzburg durchfahren…

Michael Reinboth